Nachbeben
Es sollte ein langes Wochenende werden. Ich kam am Samstag vom Unterricht als Deutschlehrer zurück und freute mich, erst am Mittwoch wieder arbeiten zu müssen. In der Nacht vom Montag zum Dienstag ging es mir dann auf einmal ganz schlecht. Ich dachte sofort an eine Fischvergiftung, denn wir hatten am Abend zuvor Fisch gegessen. Das war keine schöne Vorstellung, denn ich wusste von solch einer Fischvergiftung, dass sie mehrere Wochen anhalten kann. Vor ein paar Jahren hatte ich schon mal eine Fischvergiftung, und ich brauchte damals 2 Wochen, um wieder auf die Beine zu kommen. Also hoffte ich, dass es doch etwas anderes ist und ich mich am darauffolgenden Dienstag auskurieren kann.
Am Dienstag war keine Arbeit, denn es war ein Feiertag (ein muslimischer Feiertag, der auf den Philippinen als nationaler Feiertag deklariert wurde). Am Morgen quälte ich mich aus dem Bett, denn meine Familie war schon aufgestanden. Es war so ungefähr 7 Uhr, und ich war durch die schlaflose Nacht ziemlich kaputt. Nach dem Frühstück für Kranke dachte ich mir dann: Zum Glück ist heute Feiertag. So gehe ich gleich wieder ins Bett und kann mich hoffentlich auskurieren.
Gesagt, getan. Kurz nach 8 Uhr fing dann plötzlich mein Bett an zu wackeln. Ich schreckte hoch. Die nächsten Sekunden liefen wie im Film ab. Das Wackeln wurde immer stärker, das ganze Haus bewegte sich. Ich dachte, es fällt gleich in sich zusammen. Ich konnte nur rufen: „Raus, raus!“, rannte die Treppe runter und mit meiner Familie nach draußen.
Auch die Nachbarn rannten in Panik alle raus. Langsam begriff ich: Das war mein erstes „richtiges“ Erdbeben. Nachdem sich die Erde beruhigt hatte, besorgte ich mir ein Handtuch von drinnen, denn ich hatte fast nichts an. Dann versuchte ich, Bekannte und Freunde zu erreichen. Es war nicht möglich, anzurufen. Die Netze waren wohl überlastet. Aber man konnte SMS senden, was ich auch tat. Freunde antworteten, dass sie in Ordnung sind. Ein Freund schrieb, dass der Glockenturm der Basilika Sto. Niño eingestürzt sei. Natürlich herrschte allgemein große Aufgeregtheit. Ich holte mir Stuhl und Laptop nach draußen, um mehr Informationen zu bekommen.
Ich fand sehr schnell heraus, dass es sich um ein Beben der Stärke 7,2 mit dem Epizentrum auf der Nachbarinsel Bohol handelte. Ich war umringt von vielen Nachbarskindern, die auch mehr wissen wollten, was eigentlich passiert war. Jemand sagte dann, es hätte Tote auf dem Fischmarkt in Cebu gegeben, was sich später leider bestätigte.
Ansonsten kam Cebu weitestgehend mit dem Schrecken davon. Etwa 30 Gebäude waren eingestürzt oder nicht mehr bewohnbar. In Bohol sah es viel schlimmer aus: über 200 Tote, fast 700 verletzte, 13.217 total zerstörte und 52.598 teilweise beschädigte Häuser. Durch das Beben wurden außerdem viele alte Kirchen in Bohol und Cebu beschädigt bzw. zerstört.
Inzwischen sind 2 Wochen seit dem Beben am 15. Oktober vergangen. Es gab jede Menge Nachbeben, die aber inzwischen kaum noch zu bemerken sind. Nächste Woche geht dann das normale Leben in cebu weiter, da dann auch die Schulen den ausgesetzten Unterricht wieder aufnehmen. In Bohol wird es wohl ein Jahr dauern bis dort wieder so etwas wie Normalität einziehen kann.
Für mich bisher unerklärlich ist, dass es mir in der Nacht vor dem großen Beben wirklich dreckig ging, aber nach dem Beben war das wie weggeblasen. Wie auch immer, das Erdbeben der Stärke 7,2 werde ich nie vergessen. Es hat mir wieder deutlich gezeigt, wie schnell alles zu Ende sein kann. Daher sollte man bewusst leben und aus jedem Tag das Beste machen.